Expo Milano 2015: Alles Show?
28.10.2015 | 📎 Italien, Weltweit | ✏ Kultur
Expo Milano 2015: Alles Show?
Die «Expo Milano 2015» bietet einiges, verlangt einem aber auch viel ab: grosse Auswahl und lange Wartezeiten, interessante Informationen und eigenwilllige Kommunikation, ernste Thematik und viel Show. Wir haben die Weltausstellung Anfang Oktober besucht.
«Den Planeten ernähren, Energie fürs Leben»
«Feeding the Planet, Energy for Life» lautet das Motto der internationalen Weltausstellung in Mailand. Man will Lösungen aufzeigen für ein globales, (über-)lebenswichtiges Problem: genug Nahrung für alle herstellen, dabei aber auf das Gleichgewicht der Erde Rücksicht nehmen. Auf besondere Art wird das Thema im Schweizer Pavillon umgesetzt.
Es hät, solangs hät
Herzstück des Schweizer Projekts «Confooderatio Helvetica» sind vier Türme, gefüllt mit Lebensmittel-«Müsterli»: Wasser, Salz, Apfelringe und Instant-Kaffee. Das Konzept: Jeder darf nehmen, so viel er will. Die Türme werden aber nicht nachgefüllt. «Es hät, solangs hät». Wer hamstert, nimmt in Kauf, dass der Nächste leer ausgeht. Drum prangt am Pavillon die Frage: «Ce n’è per tutti?» – «Häts für alli?». Die Antwort darauf ist so einfach wie ernüchternd: Nein. Die Apfelringe sind längst weg, Wasser hats auch keines mehr.
Wartezeiten
Wir selber haben es nicht in die Schweizer Türme geschafft. Zu viele Leute. Bereits vor dem Expo-Eingang stehen wir 1,5 Stunden in der Warteschlange. Sicherheitskontrollen wie am Flughafen. Endlich auf dem Gelände, steuern wir den Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate an. «Tre ore» – drei Stunden Wartezeit, verkündet die Hostess. Schon wieder anstehen kommt nicht in Frage. Wir hoffen auf den späten Nachmittag. Um halb fünf beträgt die Wartezeit immer noch 2,5 Stunden. Bei Japan wartet man 2 Stunden, bei Ecuador 100 und bei Marokko 90 Minuten. In dieser Zeit könnten wir fast nach Marokko fliegen! Die Sicherheitskontrolle hätten wir ja schon passiert …
Schliessungszeiten
Wir hoffen nun auf den späteren Abend. Schliesslich ist die Expo unter der Woche bis elf Uhr nachts geöffnet. Aber schon vor 21 Uhr sind viele Pavillons zu. Vermerkt ist das meist nirgends, unverhofft steht man vor einem «Chiuso». Da die Expo-Hauptstrasse 1,5 Kilometer lang ist, legt man eine gewaltige Strecke zurück, wenn man vergebens von geschlossenem Pavillon zu geschlossenem Pavillon hetzt.
Die Grossen und die Kleinen
Tagsüber sind die Wartezeiten bei allen grossen (und beliebten) «Ländern» ähnlich haarsträubend. Also wenden wir uns den kleinen zu. Nicht alle der über 140 teilnehmenden Nationen haben sich prestigeträchtige Pavillongebäude geleistet. Einige Länder präsentieren sich in kleineren Räumen innerhalb thematischer Gruppen, so genannter «Clusters». Im Kaffee-Cluster findet man z.B. Kenia und Guatemala. Im Trockenzonen-Cluster Eritrea, Jordanien und Mauretanien.
«Insel» Nordkorea
Neben Südkorea («Republic of Korea») ist auch Nordkorea («Democratic People’s Republic of Korea») an der Expo, untergebracht im Cluster «Island, Sea and Food» – irgendwo zwischen den Malediven, Madagaskar und ein paar Karibikstaaten. Nordkorea als Insel – eine Anspielung auf dessen politische Isolation?
Zum Thema «die Welt ernähren» stellt das immer wieder unter Hungersnöten leidende Nordkorea eine Ginseng-Pflanze vor. Die Wissenschaft habe dieser Pflanze «positive Effekte auf Herz, Appetit, Anti-Aging sowie Wirkung bei der Bekämpfung von Krebs» attestiert. Klingt wie ein Allheil-Wundermittel.
Ge-photoshoptes Wunschbild
Im Nordkorea-Pavillon fällt auch ein Poster auf, das die Hauptstadt Pjöngjang zeigt. Hier hat Photoshop so kräftig mitgeholfen, dass nicht klar ist, ob das Bild Fotografie oder Gemälde sein soll. Die Blüten im Vordergrund wurden irgendwo ausgeschnitten, die Boote auf dem Fluss per Copy-and-paste vermehrt. Nicht nur hier, auch bei anderen Ländern geht es vor allem darum, die Nation im besten Licht darzustellen. Expo-Thema hin oder her. Statt Lösungen zur Ernährungsproblematik präsentiert man sich lieber selber.
Ideale und Realität
Dabei will die Expo den Besuchern die Gelegenheit bieten, über die Gegensätze der Welt nachzudenken: Unterernährung einerseits, Verschwendung von Nahrungsmitteln andererseits. Und was tun die Besucher? Sie sind voll beschäftigt mit anstehen, «Ich war hier»-Selfies knipsen, Gratis-Müsterli sammeln und damit, die Sound-&-Light Show beim «Baum des Lebens» nicht zu verpassen. Ob da mehr Platz ist zum Nachdenken über Hungernde und weggeworfenes Essen, als wenn man in den Europapark gefahren wäre?
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