Breaking News: der Zwiebelpreis schiesst ins Kraut
29.1.2016 | 📎 Indien | ✏ Kultur, Recherche
Breaking News: der Zwiebelpreis schiesst ins Kraut
«He’s a rich man» sagt Vijay, unser Fahrer, und zeigt auf den Transporter neben uns. Auf der Ladefläche kauert ein Mann neben Säcken voll mit Zwiebeln. Die Zwiebelpreise steigen in Indien gerade ins Unermessliche, erzählt Vijay. Das sei im Moment das Top-Thema. Im Radio, im Fernsehen, auf der Strasse – die Leute würden von nichts anderem mehr reden.
100 Rupien für ein Kilo Zwiebeln?
Über den Fernsehschirm tickert: «Breaking News: Will onions reach 100 rupees/kg?». 100 Rupien, umgerechnet etwa 1.50 Fr. für ein Kilo Zwiebeln – das wäre 4-mal so viel wie vor einem Monat. Für die Inder ist das ein gravierendes Problem. Sie müssen einen höheren Anteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden als wir. Esswaren sind ein grosser Budgetposten und Zwiebeln in der indischen Küche fast unentbehrlich.
Weshalb der Zwiebelpreis zum Politikum wird
Deshalb kommt es zwangsläufig zu Protesten, wenn Zwiebeln so teuer werden. Die Regierung sieht sich zum Handeln gezwungen und lässt das begehrte Gemüse zu festgelegten Preisen verkaufen. Die Warteschlangen vor den offiziellen Verkaufsstellen wachsen, bis die Vorräte leer sind. Da realisiert man: Die Massnahme greift nicht, kaufen doch einige Schlaumeier die billigen staatlichen Zwiebeln in grossen Mengen, um sie anderenorts mit hohem Profit weiterzuverkaufen. Also bessert die Regierung nach: pro Person gibts nur noch maximal ein Kilo.
Indische «Zwiebel-Krisen»
Dieser Fall vom August 2015 ist nicht die erste «Zwiebel-Krise» in Indien. So etwas kommt immer wieder vor. Es beginnt mit ungünstigem Wetter in den Anbaugebieten. Man befürchtet, dass es mit der Versorgung knapp werden könnte. Zwiebeln werden gehortet, Lagerhallen gefüllt. Es wird darauf spekuliert, damit bald ein gutes Geschäft machen zu können. Zwiebeln werden rar, die Preise steigen. Und dann greift die Regierung ein und macht im schlechtesten Fall alles noch schlimmer.
Die Zwiebel – Indiens mächtigstes Gemüse
Dabei sollten sich gerade die Politiker vor den aromatischen Knollen in Acht nehmen. Man sagt hier, die Zwiebel sei das einzige Gemüse, das eine Regierung stürzen kann. 1980 hat der hohe Zwiebelpreis zum Fall der indischen Zentralregierung beigetragen. Im Wahlkampf versprach Indira Gandhi dann stabile und tiefere Preise für Zwiebeln – und wurde prompt gewählt.
Nahrungsmittelpreise hier und dort
Dass ein Gemüse bei uns so viel politischen Einfluss haben könnte, kann man sich nicht vorstellen. Dass der Preis für Kartoffeln, Tomaten oder eben Zwiebeln darüber bestimmt, wen wir wählen, scheint unrealistisch. Sowieso: Wir wissen höchstens Bescheid über den Benzinpreis oder über den Handelswert der Apple-Aktie. Was unser Essen kostet, ist selten ein Thema. Die aktuellen Marktpreise für Nahrungsmittel kennt doch hier kaum jemand.
Oder wüsstest du, wie viel ein Kilo Zwiebeln kostet?
Im Migros sind es aktuell 2.40 Fr.
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